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Wenn unsere Welt nur von seltsamen Sprachen wimmelt, welche ist die seltsamste? Ersetzen wir das Wort „seltsam“ durch „schwierig“, dann haben wir eine der Kernfragen, die sich jeder Sprachlernende irgendwann stellt: „Welche Sprache ist denn die schwierigste?“

Oft spitzt sich die Diskussion rund um die schwierigsten Kandidaten in einer Schlacht zwischen ungleichen aber bekannten Sprachen zu. Aufgrund ihrer geheimnisvollen Schrift, zungenbrechender Aussprache, verzwickter Grammatik oder befremdlichen Struktur ringen die Anwärter um die Krone. Töne, Klicklaute und Ideogramme werden als Trümpfe ausgespielt. Doch sollte man die Vernunft bewahren und der Alkoholpegel nicht zu hoch steigen, endet die Diskussion mit der gängigen Annahme, dass die schwierigste oder seltsamste Sprache immer die ist, die der/den eigenen am unterschiedlichsten erscheint. Spricht man Englisch, muss man sich weniger Mühen geben, eine germanische oder romanische Sprache zu lernen. Eine andere Sprache der indoeuropäischen Familie wäre dahingegen etwas schwieriger, doch trotzdem viel einfacher, als sich einer Sprache einer völlig anderen Sprachfamilie anzueignen.

Doch fragen wir uns wirklich, wie wir die Seltsamkeit einer Sprache verstehen, sehen wir die Vielfalt aus einem englischsprachigen oder mindestens abendländischen Blickwinkel an. Dadurch, dass sich die europäischen Sprachen auf dem Kanonenboot und dem Ross des Missionars in jede Ecke der Welt ausgebreitet haben, sehen wir auf jedem Erdteil Sprachen, die ähnliche Charakteristiken aufweisen und von Milliarden Menschen gesprochen werden. Auf genau diesen Säulen bauen wir unsere Definition der „Normalität“, die wir überall vorfinden und wegen der Verbreitung und Häufigkeit für üblich halten.

Wie sähe unser Verständnis aber aus, wenn wir unsere Messgeräte neu eichen? Eine Gruppe von Idibon hat eine interessante kleine Studie((Seitdem ich diesen Beitrag ursprünglich geschrieben habe, ist die Website nicht mehr erreichbar. Wahrscheinlich sollte ich keine zwei Jahren mehr warten, bevor ich meine Einträge veröffentliche!)) mit den Daten des World Atlas of Language Structures durchgeführt. Der Atlas beinhaltet Datensätze über insgesamt 192 phonologische, syntaktische und grammatikalische Strukturen und Merkmale von 2.679 unterschiedlichen Sprachen. In ihrer Studie hat die Gruppe sich auf 21 Charakteristiken beschränkt, in denen Daten für mindestens 100 Sprachen vorhanden waren, und schlossen dabei zusammenhängende Merkmale aus, die die Gewichtung bestimmter Aspekte sonst verfälscht hätten. Da die WALS-Datenmenge trotzdem etwas spärlich ist, erscheinen in ihrem Bericht lediglich 239 Sprachen, die über mindestens zweidrittel der Kriterien miteinander verglichen werden konnten.

Das interessante, was aus ihren Ergebnissen herauskommt, ist genau wie seltsam die Sprachen sind, die wie eigentlich sonst für normal halten. Deutsch, Tschechisch und Spanisch erscheinen alle in den ersten 25 auf der Liste nach Seltsamkeit; Englisch nimmt den 33. Rang. Aber was macht sie so sonderlich? In dem Artikel heben die Autoren zwei Beispiele hervor, die die Seltsamkeit der indoeuropäischen Sprachen verdeutlichen. Dass wir in unseren Sprachen das Subjekt mit dem Verb vertauschen, um eine Frage zu stellen, scheint in der Tat eine große Seltenheit zu sein. Nur 1,4% der Sprachen in der Studie weisen dieses Merkmal auf. Von insgesamt 955 Sprachen, für die dieser Datensatz ausgefüllt ist, benutzen die meisten eine Fragepartikel, während in 13 Sprachen die Satzstruktur bei Fragen unverändert bleibt. Die in den germanischen Sprachen üblichen Subjektpronomen sind anscheinend auch etwas speziell, und werden in nur 82 der 711 Sprachen benutzt. Am unteren Ende der Seltsamkeitsskala erscheinen Sprachen wie Baskisch, Kantonesisch, Türkisch und Hindi (letzteres mit nur einer auffälligen Eigenschaft).

Dieser Studie kann man natürlich nur soviel Bedeutung beimessen. In vielen Bereichen mangelt es an festen Daten, dazu sind extrem viele Sprachen der Welt kaum dokumentiert und in dem Atlas gar nicht erst erfasst. Man könnte auch die Tatsache bemängeln, dass die Kriterien der Datenbank auch die Erwartungen, Interessen und Erfahrungen Sprecher abendländischen Sprachen widerspiegeln. Nichtsdestotrotz bleibt es ein interessantes Fazit, dass Englisch trotz seiner Verbreitung in jedem Winkel der Erde und seiner scheinbar globalen Allgegenwart eigentlich zu den seltsamsten Sprachen der Welt gehört.